Medienethik ist nicht nur was für Philosophen. Medienethische Fragen stellen sich uns beinahe täglich in unserem Medienhandeln. Sie ins Bewusstsein zu rücken und Antworten zu suchen, ist das Ziel des Online-Seminars "Medienethik: Von Medienkritik und Medienvertrauen", welches Judith Pies am Zentralinstitut studium plus der Universität der Bundeswehr angeboten hat.
Medienpraktiker brauchen ein Geländer, an dem sie sich festhalten können, wenn sie vor Abgründen stehen, Foto: Franz Franzen, vertigo
"Medienpraktiker brauchen ein Geländer, an dem sie sich festhalten können, wenn sie vor Abgründen stehen", schrieb der Kommunikationswissenschaftler Stephan Ruß-Mohl 2010 in seinem Lehrbuch Journalismus. Mit dieser Aussage begründete er, warum sich Journalistinnen und Journalisten mit angewandter Medienethik beschäftigen sollten. Sie sollten sich mit moralisch schweren Entscheidungen frühzeitig auseinandersetzen, um in der konkreten Situation schnell und sicher handeln zu können.
Gefälschte Reportagen wie im „Fall Relotius“, Spekulationen über Tatmotive wie im Fall des Amoklaufs im Münchener Olympia-Einkaufszentrum oder fehlender Schutz für Opfer von Katastrophen wie im Falle von Anschlägen oder sogenannten Amokläufen führen diese Notwendigkeit immer wieder deutlich vor Augen.
Doch nicht nur professionelle Medienpraktiker sind gut beraten, sich mit Medienethik zu befassen. In Zeiten allgegenwärtiger Social-Media-Kommunikation stellen sich auch für uns Mediennutzende zahlreiche medienethische Fragen. Wir produzieren selbst immer mehr (teil)öffentliche Inhalte, die weitreichende Konsequenzen für andere und die Gesellschaft haben können. Dazu gehört beispielsweise das (unbeabsichtigte) Verbreiten von Falschinformationen, der Umgang mit Hass und Hetze oder das ungefragte Posten von privaten Fotos oder Videos.
Selbst wenn wir nicht aktiv Medieninhalte produzieren sondern nur rezipieren, stellen sich medienethische Fragen. Internet-Plattformen von Amazon bis Instagram bieten uns die immer gleichen Informationen und beeinflussen somit teilweise unsere Konsumentscheidungen und politischen Ansichten. Die Geschäftsmodelle der Plattformen erheben unsere persönlichen Daten zum Zahlungsmittel. Wie sollen wir damit umgehen und welche Auswirkungen hat das auf unser gesellschaftliches Zusammenleben?
Das Seminar befasst sich mit der übergeordneten Frage danach, was Medienethik ist und warum wir sie in einer demokratischen Gesellschaft brauchen. In der Diskussion über medienethisch relevante Fälle und bei der Suche nach konkreten Handlungsoptionen, wird die Reflektion über das eigene Medienhandeln aktiviert. Die Suche nach einem Geländer ist zur Aufgabe für uns alle geworden.
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